Freitag, 19. August 2016

Vestfirðir

Ísafjörður und die Westfjorde


Die meisten Touristen, die das erste Mal nach Island kommen, machen eine Rundreise um die Insel auf der Ringstraße, der Nationalstraße 1 (Hringvegur - Þjóðvegur 1).  In die abgelegenen Westfjorde (Vestfirðir) kommen dabei die wenigsten.

Die Westfjorde machen knapp 10% der Fläche der Insel aus, hier leben aber nur rund 2% der isländischen Bevölkerung. Vielleicht hat man schon mal Fotos gesehen vom Vogelfelsen Látrabjark, wo im Frühsommer die Papageitaucher brüten, oder vom Wasserfall Dynjandi gehört - aber sonst..?

Diese Ecke ist auch vielen Island-Reisenden unbekannt, dabei ist diese Region unbedingt einen Besuch wert, nicht nur (aber auch) wegen ihrer faszinierenden Landschaft!


Die Westfjorde sind sehr abgelegen, und viele Orte sind im langen Winter oft nicht erreichbar. Die Menschen hier leben von der Agrar- und Fischwirtschaft, zunehmend wird aber auch der Tourismus zu einer Erwerbsquelle. Allerdings reicht der Tourismus nicht aus, um die Arbeitsplätze aufzufangen, die in der Landwirtschaft und der Fischerei immer mehr verloren gehen. Landflucht ist hier in den letzten 100 Jahren ein ernsthaftes Problem geworden. Vor rund 100 Jahren lebten noch gut 14% der Isländer in den Westfjorden, heute sind es gerade mal noch gut 2%. Und das liegt nicht daran, dass sich die Gesamtbevölkerung des Landes in dieser Zeit mehr als verdreifacht hat. Sondern dass heute nur noch rund 7.500 in dieser abgelegenen Region Islands wohnen - 1920 waren es noch rund 13.500 Menschen. Viele kleine Orte oder auch ganz Regionen der Westfjorde wie z.B. die Halbinsel Hornstrandir sind heute verlassen oder werden nur noch im Sommer bewohnt. Es kann sehr einsam sein, hier in den Westfjorden, wenn der nächste Nachbar weit weg ist.


Das Wirtschafts- und Verwaltungszentrum der Westfjorde befindet sich in der kleinen Stadt Ísafjörður.


Hier in Ísafjörður leben heute rund 2.500 Menschen, in der Gemeinde Ísafjarðarbær leben rund 3.600 Menschen - bei einer Bevölkerungsdichte von etwa 2 Einwohnern pro km². Insgesamt beträgt die Bevölkerungsdichte in den Wesfjorden weniger als 0,8 Einwohner pro km². Man kann sich also leicht vorstellen, wie leer es hier oft ist...

Die Stadt Ísafjörður liegt auf einer Sandbank im Skutulsfjörður, einem Seitenarm des Ísafjarðardjúp. Der erste Siedler Helgi Hrólfsson soll sich hier um 920 niedergelassen haben, an diesem natürlich Hafen. Die Sandbank (eyri) wurde immer wieder aufgeschüttet, so dass man die Fläche des Ortes immer weiter vergrößert hat.


An der südlichen Spitze der Halbinsel entstand dann im 15. Jahrhundert ein erstes Handelszentrum, erst von englischen, dann auch von deutschen Händlern (bis zur Einführung des dänischen Handelsmonopols 1602). 1787 wurde Ísafjörður von der dänischen Regierung zum Handelsort erklärt, über den der Handel hier in der Region abgewickelt wurde, um die wirtschaftliche Situation der Isländer zumindest etwas zu verbessern. Von diesem Unteren Handelszentrum Neðstakaupstaður stehen auch heute noch vier Häuser, die etwa 1760 bis 1780 erbaut wurden. Sie stellen den ältesten erhaltenen Siedlungskern Islands dar.


Zwei der Häuser sind heutzutage Wohnhäuser. Im Turmhaus (Turnhús), einem ehemaliger Lager, ist heute ein Heimat- und Fischereimuseum untergebracht. Und im ehemaligen Teerhaus (Tjöruhús), in dem damals die Teerarbeiten an den Schiffen durchgeführt wurden, befindet sich mittlerweile ein wirklich großartiges Fischrestaurant. Das Büffet dort kann ich wirklich nur empfehlen!


Ein gewisser bescheidener Aufschwung für Ísafjörður kam dann im 18. Jahrhundert mit der Salzfischverarbeitung. Wenn es das Wetter halbwegs zuließ, fuhren die Männer mit den Schiffen zum Fischfang raus. Gefangen wurden in der Regel vorrangig Dorsche. Allerdings gab es im April auch immer eine separate Tour, bei der Steinbeißer (eigentlich: Seewolf) gefangen wurde, die sonst nur Beifang sind. Die Steinbeißer dieser Extra-Tour wurden nach ganz speziellen Regeln zwischen Bootsbesitzern und Schiffsbesatzung aufgeteilt. Die Ausbeute dieser Fahrt konnte durchaus üppig ausfallen und das Überleben der Familien für längere Zeit sicherstellen. Gerichte wie z.B. gebratener Steinbeißer mit brauner Sauce ist heute noch eine typische Spezialität der Westfjorde - teilweise auch in neuem Gewand im Rahmen der neuen nordischen Küche.


Wenn die Männer damals mit den Dorschen anlandeten, standen die Frauen schon bereit, um die Fische zu säubern und zu salzen und sie auf dicken Kieselsteinen zum Trocknen auszulegen. Der Geruch muss überwältigend gewesen sein, und der heutige "Marktplatz" Silfurtorg und die angrenzende Straße Silfurgata verdanken den Fischen noch heute ihre Namen - Silberplatz und Silbergasse / Silberstraße. Silbrig glänzend von all den Fischen, die hier zum Trocknen ausgelegt wurden... Ich habe alte Fotos und Postkarten gesehen, mit einem silbrigen Meer von toten Fischen auf allen Wegen. Heutzutage sieht es allerdings anders aus und die Straßen sind asphaltiert und gepflastert.

Silfurtorg im Sept. 2015

Um 1800 entstand dann, gerade mal ein paar 100 Meter vom Unteren Handelszentrum entfernt, das Mittlere Handelszentrum Miðkaupstaður. Hier in der Aðalstræti stehen heute noch einige dieser alten Wohn- und Geschäftshäuser.


Die Edinborger Handelsgesellschaft eröffnete dann hier 1902 einen Laden, 1907 wurde vom ersten isländischen Architekten Rögnvaldur Ólafsson (1874 - 1917), der in Kopenhagen studiert hatte, noch ein großes Lagerhaus gebaut, das Edinborgarhús. Heute ist das Haus ein Kulturzentrum, und auch das Tourist Information Centre und ein Restaurant sind hier untergebracht.


Das Obere Handelszentrum Hæstikaupstaður entstand bereits etwa um 1790, hier befand sich damals der Sitz der norwegischen Kaufleute. Die Häuser wurden 1899 von einem dänischen Kaufmann billig erworben und später an die Stadt verkauft, als die Ära der großen Handelszentren zu Ende ging.


Ungefähr dort, wo um 900 der erste Siedlungshof der Wikinger gestanden haben soll, befindet sich heute ein weiteres imposantes Gebäude von Ísafjörður, nämlich das alte Krankenhaus von 1925, in dem sich heute die Bücherei der Stadt befindet.


In der Straße dahinter, der Túngata, in dem blauen Doppelhaus mit der Hausnummer 3...


...wurde im Jahr 1943 Ólafur Ragnar Grímsson geboren, der von 1996 an 20 Jahre lang der Präsident Islands war. Bei der Wahl 2016 trat er wegen Verwicklungen der Familie seiner Frau Dorrit Moussaieff in den Skandal um die sog. Panama-Papers nicht mehr zur Wiederwahl an.

Präsidentenpaar am Nationalfeier 2016

Auf der anderen Seite der Bücherei steht die Kirche der Stadt. Die alte Holzkirche von 1863 brannte 1987 ab, der heutige Neubau stammt von 1995.


Ich habe im September 2015 eine Woche in Ísafjörður verbracht und ein wenig die Westfjorde kennen lernen dürfen - und ich habe mich wirklich in diesen Ort verliebt!


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